Die Kraft einer guten Story

 

Warum gutes Storytelling wichtig ist

Ein kurzer Blick auf einen Instagram-Post, ein Fünfzehn-Sekunden-Tänzchen auf TikTok, ein schneller Scroll über den Newsfeed – aktuelle Kommunikationsformen scheinen die längere Geschichte vergessen zu haben. Ein Grund dafür ist die im Dauerfeuer der Inhalte immer kleiner gewordene Aufmerksamkeitsspanne gerade der jüngeren Generationen. Ein weiterer verstärkender Grund findet sich im Wettlauf der Unternehmen um immer kurzlebigeren, grellen und bisweilen extremen Content.

Schnell, viel, krass – so das Marketingcredo vieler Unternehmen. Dabei würde gerade das Gegenteil – eine richtig gut erzählte Geschichte – einen deutlichen Unterschied zur Konkurrenz und damit echten Mehrwert bieten.

Wie könnte so eine gut erzählte Story aussehen?

Zuallererst sollte sie unverwechselbar sein, also nicht generisch wirken. Eine Start-up-Story, die davon erzählt, eine „Industrie X“ einen „Markt Y“ mit „skalierbaren Technologien“ und „proprietären Algorithmen“ zu „disruptieren“, und die ein „exponentiell wachsendes“ Geschäftsmodell beschreibt, wirkt wie Malen nach Zahlen und alles andere als einzigartig.

Wie wird eine Story einzigartig?

Nur das Leben schreibt einzigartige Geschichten. Hier geht es nicht um Wunschdenken oder künstliche Mythenbildung, es geht darum, den eigenen Weg zu beschreiben, von gelebten Werten zu erzählen und von Wirrungen und Wendungen zu berichten.

Kultur und Persönlichkeit lassen sich in einer gut erzählten Unternehmensgeschichte besser begreifen, als durch Posts der obligatorischen Obstkörbe und High-End-Kaffeemaschinen. Ehrlichkeit und Authentizität punkten hier mehr als kitschige Story-Snippets, die das miese Gehalt oder zweifelhafte Geschäftspraktiken überblenden sollen.

Test-Authentizität

Das gute Storytelling, das spannende Erzählen der echten eigenen Geschichte, hat eine weitere Funktion: Es wird zum Instrument der Überprüfung für das Handeln des Unternehmens, denn große, heldenhafte Geschichten fesseln uns.

Facebook startete als nerdiges Studenten-Start-up, mit der Vision, „die gesamte Welt miteinander zu verbinden“. Das junge Unternehmen wuchs schnell und wurde bald überrollt von Erfolg und Verantwortung. Viele Menschen sahen die Verfilmung „The Social Network“ im Kino und lasen unzählige Artikel, die Facebook mitunter mystisch verklärten.

Doch die Faszination der außergewöhnlichen Aufstiegsgeschichte, die von Facebook auch immer kräftig mitgeschrieben wurde, steht heute im starken Kontrast zu den Aktivitäten des Unternehmens. Mit hintergangenen Kunden und zwielichtigen Geschäftspraktiken ist aus der schillernden Aufstiegsstory eine Betrugsgeschichte mit Realitätsschauder geworden.

Was wir daraus lernen

Wer von sich erzählt, sollte sich auch genau so verhalten, wie er selbst es predigt. Ist die Differenz zwischen geschaffenem Ansehen und aktuellem Handeln zu groß, so lässt sich der Ruf durch keine noch so gute Story oder panisches Krisen-PR mehr retten. Das Ergebnis: Das Unternehmen verliert zuerst an Glaubwürdigkeit, dann an Kunden und folglich an Wert. Als weiteres Beispiel sollen hier noch Volkswagen und der Dieselskandal genannt werden und der klägliche Versuch, diesen herunterzuspielen und auszusitzen.

Über das Ziel hinaus geschossen

Wenn sich das Handeln von der Geschichte entfernt, droht der Verlust von Glaubwürdigkeit – so weit, so klar. Im umgekehrten Fall gilt allerdings das Gleiche. Wer die Handlung der eigenen Geschichte immer weiter in Luftschlösser verlegt, der fällt – früher oder später – krachend zurück auf den Boden der Tatsachen.

Schnell wachsende Start-ups sind hier besonders gefährdet. Mit der Überausstattung an Kapital wachsen die Erwartungen und können dabei Storytelling in reine Fiction verwandeln. Auch hier können wir uns einige Beispiele warnend vor Augen halten – wenngleich auch nicht immer klar ist, ob es sich von Anfang an um einen Betrugsversuch gehandelt hat. Wer Interesse an Thrillern hat, dem sei die Geschichte von Theranos, dem Fyre Festival oder, ganz aktuell, Wirecard nahegelegt.

Wer ansagt, muss auch liefern

Das größte Gewicht einer noch so irrwitzige Story bekommt diese durch die Wirklichkeit selbst. Kaum ein Unternehmer kommuniziert seine Geschichte und seine Ambitionen so laut wie Elon Musk. Marskolonisation, Privatisierung der Raumfahrt, Hyperloops, Gigafabriken – die Visionen und Pläne seiner Unternehmen könnten einem Science-Fiction-Roman entliehen sein.

Doch Elon Musk, respektive seine Unternehmungen, liefert – wenn auch immer wieder mit erheblichem zeitlichen Verzug. Das Prinzip: Immer wenn ein Stück dieser fantastischen Geschichten wahr wird, bekommt sie mehr Gewicht, Glaubwürdigkeit und Zutrauen in zukünftige Erfolge. Sicher: Es ist Vorsicht geboten, wenn in diesem Ausmaß auf den Erfolg von Morgen spekuliert wird, doch es lassen sich zwei entscheidende Dinge herauslesen:

1. Eine faszinierende Vision (oder Mission) kann einen Sogeffekt in Richtung Visionsrealisierung erzeugen.

2. Vor dem übernächsten Schritt sollten die Luftschlösser von gestern aus solidem Mauerwerk bestehen.

Ganz ohne Story

Wer jetzt allerdings befürchtet, übergroße Visions-Perpetomobile erschaffen oder alles aus dem Nähkästchen ausplaudern zu müssen, um dann später jedes Wort auf die Shareholder-Goldwaage gelegt zu bekommen, der sei entwarnt: Beim Storytelling im Sinne der Unternehmens- und Produktvermarktung geht es um den Transport von Persönlichkeit – und dafür gibt es viele Möglichkeiten und Spielarten.

Vom Fokus auf die Gründerpersönlichkeiten, die Unternehmenskultur, eine weltverändernde Vision oder die mitunter schrulligen Eigenheiten des Unternehmens (Beispiel Trigema) – es geht um eine Verbindung und den Ansatzpunkt für das Vertrauen von Kunden. Eine dynamisch-nachhaltige Bindung an eine Marke oder ein Unternehmen gelingt ganz ohne Storytelling kaum.

Die Kraft einer guten Story

Gutes Storytelling für Marken und Unternehmen ist eine unerlässliche Möglichkeit, nahbar und unverwechselbar aufzutreten. Ehrliches und authentisches Storytelling fördert die Beziehung und folglich das Vertrauen der Kunden und Shareholder. Zu vermeiden sind hier die Fehler widersprechenden Handelns oder entgleisender Storys, wie oben beschrieben.

In der Tiefe der Geschichte

Das Erzählen der ureigenen Geschichte eröffnet jedoch eine weitere Dimension der Wirkung. Wer von sich erzählt, von Motivation, Vision, von Geschaffenem und Erreichtem verrät den Sinn seines Tuns – er offenbart die DNA seines Purpose.

In einer guten Geschichte wird klar, was das größere Ziel des Unternehmens ist, und wie und auf welche Art (Werte/Kultur) es sich diesem nähert. Längst sind Form und Kultur einer Organisation zu einem wichtigen Teil des Storytellings und der Unternehmenskommunikation geworden. Was im Unternehmen verbindend und stärkend wirkt, ist heute auch ein Schlüssel für modernes Recruitment. Wer heute Talente anlocken will, muss anders funktionieren und mehr bieten als die oben genannte High-End-Kaffeemaschine.

Der Lohn der Mühe

Wer sich heute mit Storytelling auseinandersetzt, begegnet vielen Herausforderungen. Die kurze Aufmerksamkeitsspanne ist eine davon, die Furcht, mit seinen Macken und Makeln dazustehen (ganz entgegen dem Instagramlook), eine weitere, oder aber zu dem stehen zu müssen, was man gesagt und gefordert hat. Authentisches Storytelling fordert Mut. Doch der Gewinn überwiegt jede Mühe.

Gutes Storytelling legt die Bestimmung eines Unternehmens offen, fordert Vision, Charakter und Haltung und macht bestenfalls die Persönlichkeit einer Organisation greifbar.

Wer eine authentische Geschichte erzählen kann und ein eigenes Narrativ entwickelt, der kann emotional angenommen werden, wirken und Reaktionen auslösen. Auf diese Weise findet er seinen Markt, seine Kunden und motivierte Mitarbeiter.

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