Rebecca Schneibel - Psychotherapeutin

 

Podcast
Folge 06

Triggerwarnung: Dieser Artikel handelt auch von Depression und mentaler Gesundheit.

In dieser Folge sprechen wir mit Rebecca Schneibel, Psychotherapeutin aus Berlin, über das Thema mentale Gesundheit und Wertewandel.

Für Betroffene, aber auch für die behandelnden Menschen, wie Rebecca, gibt es zu viele Barrieren und Komplexität im System, was dazu führt, dass nicht genügend Menschen ausreichend behandelt werden können. Und das ist ein Problem.

In Deutschland sind jedes Jahr etwa 27,8 % der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen.

Das entspricht rund 17,8 Millionen betroffene Personen. Dabei stechen vor allem zwei Diagnosen heraus: Depression und Burn-out. Dabei sagte schon vor der Coronapandemie, 2018, jede:r zweite Bundesbürger:in, dass er:sie sich von Burn-out bedroht sieht und sechs von zehn Befragten klagten bereits über typische Burn-out-Symptome wie anhaltende Erschöpfung, innere Anspannung und Rückenschmerzen.

Auch wenn Burn-out keine offizielle Krankheit ist, sondern als „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung inkl. Ausgebrannt Sein [Burn-out]“ geführt werden, so müssen wir diese Entwicklung ernst nehmen. Denn Burn-out kann dazu führen, dass weitere Krankheiten daraus entstehen, physisch wie auch psychisch.

Davon zu unterscheiden ist die Depression. Und auch hier sind die Entwicklungen dramatisch. So hat sich die Zahl der wegen Depression vollstationär im Krankenhaus behandelten Menschen in Deutschland seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt (damals waren es 110.000 Fälle).
Depressionen werden zumeist noch immer in ihrer Schwere unterschätzt oder tabuisiert. Die Folgen sind schwerwiegend, so sind 2015 mehr Menschen durch Suizid (10.080) als durch Drogen (1.226), Verkehrsunfälle (3.578) und HIV (371) zusammen (Quelle: Todesursachenstatistik 2015, Statistisches Bundesamt) gestorben  –  die Mehrheit der Suizide erfolgt vor dem Hintergrund einer unzureichend behandelten Depression.

Besonders dramatisch: Immer mehr Kinder und Jugendliche sind betroffen.

In ihrer Altersgruppe hat sich die Zahl der stationär Behandelten seit 2.000 sogar verzehnfacht. Und diese Zahlen stammen von der Zeit kurz vor der Pandemie. Mit Corona wird hier eine enorme Zunahme erwartet. Nicht zuletzt auch wegen eines neuen Phänomens: der Einsamkeit. 

Warum widmen wir uns diesem schweren Thema?

Schon anhand des beschriebenen Bedarfs und der Zahlen wird deutlich: Mentale Gesundheit ist ein hochaktuelles Thema. Dabei reicht es nicht, wie Rebecca betont, nur ein wenig individuelle Psychohygiene zu betreiben, um so fit zu werden, dass wir dann wieder bereit für das alte Pensum sind.

Wir müssen radikal und grundlegend unser Verhalten, unser Leistungsdenken – unsere gelebten Werte hinterfragen.

Was bedeutet ein 8 Stunden Tag in einer 5-Tage-Woche für unsere mentale Gesundheit? Braucht es mehr gesetzliche Feiertage zur Erholung? Braucht es mehr Angebote und Einrichtungen, die uns in der Psychohygiene unterstützen – vielleicht schon am Arbeitsplatz? Müssen wir uns radikal von Vergleichsarbeiten und Leistungsdruck trennen, und benötigen wir stattdessen neue Formate für Schulen und angepasste Lernkonzepte? Was heißt das für unsere Stadtgestaltung?

Diese müsste viel mehr öffentliche Räume anbieten, so Rebecca. Wie schaffen wir es, dass uns ein Spaziergang mehr Freude bringt als ein Shopping-Trip, der uns nur ein paar Minuten oberflächlich glücklich macht? Sollten wir lernen, eigene Ansprüche herunterzuschrauben, um mehr Zeit zu haben, gesünder zu leben, aber im Umkehrschluss auch weniger Geld? 

Wir müssen lernen, uns neu zu betrachten und zu denken.

Etwa in den Worten von Friedrich Nietzsche “Werde, der du bist”  –  aber wie? Dazu regt Rebecca an. Eine schöne und vor allem einfache Hilfe hierfür ist die Frage, was man als Kind einmal werden wollte. Meist stecken dort viele unserer Talente, Wünsche, Fähigkeiten und Werte bereits drin. Leben wir diese nicht aus, kommen wir in einen Zustand einer gestörten Kohärenz.
Dies meint in der Neurobiologie einen Zustand, in dem alles im Einklang ist, d. h. Wünsche und Realität übereinstimmen und alte Erfahrungen zu neuen Gegebenheiten passen. Es bedeutet, dass ein Individuum das Gefühl hat, Teil eines sozialen Beziehungsgefüges, die Welt, zu sein. 

Wir danken Rebecca für die Einblicke in ihre Arbeit und das ehrliche Gespräch! 


Solltest du als Leser:in aktuell Hilfe benötigen oder jemanden kennen, der Hilfe braucht, dann hier ein paar wichtige Anlaufstellen: 

  • Haben Sie Fragen zur Erkrankung Depression und zu Anlaufstellen in Ihrer Nähe? Wenden Sie sich an unser Info-Telefon Depression unter der Tel.: 0800 / 33 44 533.

  • https://www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/hilfsangebote/

 

 

“Über morgen reden – Rebecca Schneibel über mentale Gesundheit und Psychotherapie in Pandemiezeiten. ”

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Wie der Titel verrät, wollen wir über das reden, was morgen kommt und heute schon im Wandel ist. Wir möchten herausfinden, wie sich Werte in unserer Gesellschaft verändert haben – ob Einstellungen zu Beruf, Diversität, Stellenwert der Arbeit oder auch zur Zusammenarbeit, zu Geschäftsmodellen und zum Leben ganz allgemein. Wir gehen der Zeitenwende auf die Spur. Alles gezielt mit Interview-Partner:innen außerhalb unserer eigenen Agentur/Digital-Bubble. Was können wir für die nächsten 15 Jahre lernen?

 

 
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Christian Lange-Hausstein - Rechtsanwalt